Der DRS nimmt Abschied – nicht von einem aus unseren sportlichen Reihen, einem aus unserer gesellschaftlichen Mitte: Mit Peter Radtke geht ein Pionier, ein Protagonist und ein Pragmatiker

Lesen Sie den persönlichen Nachruf von Klaus D. Herzog (DRS-Fachbereich Kinder- & Jugendsport): Peter Radtke war sicher nicht das, was man sich gemeinhin unter einem Rollstuhlsportler vorstellt – eher vielleicht ein Rollstuhlakrobat. Was er aber sicher war, ist ein RolliKid – und dies zu einer Zeit als er mit der Diagnose Glasknochen um sein Leben fürchten musste: Von ärztlicher Seite wurde ihm 1943 nur eine kurze Lebenserwartung zugedacht. Nun ist am 28. November 2020 der „große“ Wegbereiter, Initiator, Schauspieler, Utopist, Mahner und Wächter, sowie Ethiker und anderes mehr – Peter Radtke – mit 77 Jahren von uns gegangen.

Seine Mutter war es, die Radtke gegen Ende des Krieges von Freiburg nach Regensburg brachte, ihn über alle Maßen förderte, ihm im Körbchen überall mit hin nahm und mit dem Fahrrad die Welt zeigte und erfahren ließ. Zudem förderte sie seine Bildung und beide Eltern legten in ihn die Liebe zur Kunst.

Schauspieler wollte er immer werden. „Hätte man mich gelassen, so wäre ich wohl ein mittelmäßiger Bürstenbinder geworden!“ Sagte er in seinen Büchern „Ein halbes Leben aus Glas“ und „Karriere mit 99 Brüchen“ von sich selbst. Da man ihn aber nicht ließ, bildete er sich selbst immer wieder, bis er mit einem Doktortitel schließlich Leiter des Behindertenreferates der Stadt München wurde. Zudem schrieb er schon in jungen Jahren das Solostück: „Nachrichten vom Grottenolm“, später „Hermanus und Benedikt“ und andere mehr – und er wurde Schauspieler – und was für einer. Es gibt tolle Filme von Kafkas „Bericht an eine Akademie“ bis zu Oskar Matzerath in Grass´ Rättin.

Peter Radtke war ein Tausendsassa. Er war Mitbegründer des Münchener Crüppel Cabarets, der Arbeitsgemeinschaft Behinderte in den Medien, der ersten integrativen Schauspielausbildung am Akademietheater in Ulm und, und, und …. und ich bin sehr froh, dass ich seine Eltern und auch ihn kennengelernt habe und sich unsere Wege auch immer wieder begegneten.

Peter Radtke ist von uns gegangen, ein erfülltes Leben hat sich gerundet. Das für mich Traurige ist, dass selbst die renommierte Tagesschau, die ihn würdigte, direkt im ersten Satz der Nachricht schreibt: „Er litt ein Leben lang an der Glasknochenkrankheit“. Einem, der so vieles erreicht hat, der von sich selbst sagte, „Ich hab im Leben nichts Wesentliches versäumt“, so einen diskriminierenden Satz mitzugeben, das lässt mich doch aufhorchen und erschaudern – so nehme ich es als Ruf von Peter,  wach zu bleiben gegenüber dem Ungeist und weiter zu kämpfen für eine menschlichere Gesellschaft. Egal, ob nun Kunst, Sport, Politik oder was auch immer unser Medium ist.

Danke Peter Radtke für alles, was wir durch Dich erfahren, lernen und erleben durften und für die vielen Wege, die du bereitet hast! Dir gebührt das Schlusswort: 

„Behinderung ist kein Zustand; sie ist ein Prozess. In ihm wirken Vorurteile und Klischeevorstellungen von Leid und mangelnder Lebensqualität zum Schaden der Betroffenen zusammen. Nicht die Menschen mit Behinderung zu eliminieren, sondern die unseligen Gedanken aus den Köpfen der Zeitgenossen, ist die gesellschaftliche Aufgabe unserer Tage.“

Klaus D. Herzog im Namen der kleinen wie großen Rollikids im Kreis des Deutschen Rollstuhl-Sportverbands

Foto: © Klaus D. Herzog