Bereit für das asiatische Bollwerk

Die Wettkampfhalle im Yoyogi National Stadium mitten in Tokio ist den meisten Spieler*innen des deutschen Teams Para Badminton bekannt. Hier haben sie in den vergangenen Jahren schon internationale Turniere bestritten. Doch das war’s dann auch schon mit dem Vertrauten. Zum ersten Mal wird Para Badminton bei den Paralympics gespielt, und dementsprechend neu ist für die Aktiven und Trainer alles, was um die Halle herum passiert. Das Paralympische Dorf, der unglaublich große organisatorische Aufwand, die vielen freundlichen und hilfsbereiten Menschen – das alles beeindruckt die sechs Deutschen und den Stab ungemein. „Tatsächlich habe ich noch nie so viele Sportler*innen mit Behinderung auf so engem Raum gesehen“, sagt Thomas Wandschneider. Gewohnt ist er im Vergleich zu den Paralympics eher kleine Turniere; selbst Weltmeisterschaften werden im Verhältnis mit deutlich kleinerem Aufwand auf die Beine gestellt. Zumal Para Badminton zumindest in Deutschland als Randsportart gilt.

Nachdem es in den Pool der Paralympischen Spiele aufgenommen wurde, hat sich dieses Rückschlagspiel im weltweiten Parasport jedoch enorm entwickelt, wie Bundestrainer Christopher Skrzeba erklärt: „Es gibt nicht nur mehr Trainer*innen und Athlet*innen, sondern auch deutlich mehr Turniere pro Jahr.“ Allein von 2018 auf 2019 hat sich die Anzahl der Aktiven nahezu verdoppelt. Und: Wurden beispielsweise vor sechs Jahren noch maximal vier Turniere veranstaltet, sind es inzwischen elf. In der Tat mache sich vor diesem Hintergrund unter den Spieler*innen eine zunehmende Professionalisierung bemerkbar. „Sie werden fokussierter, gehen jedes Turnier mit der gebotenen Zielstrebigkeit an“, sagt der Bundestrainer. Und das ist wichtig! Denn nur mit dieser Zielstrebigkeit haben die Deutschen eine Chance gegen das asiatische Bollwerk. Badminton und Para Badminton sind in Ländern wie China, Japan und Korea Volkssport. Diese Sportarten erfahren hier eine ungeheuer große Aufmerksamkeit und Anerkennung. Dementsprechend großzügig ist die Förderung, die jedem einzelnen Sportler und jeder einzelnen Sportlerin entgegengebracht wird. Dass Deutschland mit insgesamt sechs Athlet*innen in diesem Konzert der Großen mitspielt, ist bereits vor dem paralympischen Turnier eine großartige Leistung. „Hätten wir die Strukturen der Asiaten, könnten wir unser Potenzial noch weitaus besser ausschöpfen“, sagt Young-Chin Mi. Einschüchtern lassen sich die Debütanten davon jedoch nicht. Im Gegenteil. „Für mich ist es eine große Motivation“, betont Mi.

Und so freuen sich alle sechs Spieler*innen darauf, dass es nach der Anreise vor gut einer Woche nun endlich mit dem Turnier losgeht. Zumal abgesehen von Training ohnehin nicht viel möglich ist. „Dass wir uns im Dorf innerhalb eines großen Zauns bewegen, ist für mich sehr befremdlich“, sagt Mi. Das ist zwar bei Paralympics normal, doch üblicherweise soll durch den Zaun verhindert werden, dass Unbefugte das Gelände betreten. In diesem Jahr wird eher dafür gesorgt, dass die Athleten das Dorf außer für Training und Wettkampf nicht verlassen.

Am Mittwoch um 18 Uhr Ortszeit werden in der Vorrunde als erstes Valeska Knobloch und Elke Rongen in der sitzenden Klasse WH1 gegeneinander antreten. Am zweiten und dritten Vorrunden-Tag bestreiten die beiden als Doppel ihr erstes Vorrunden-Spiel gegen die Chinesinnen Yutong Liu und Menglu Yin. Jan-Niklas Pott bestreitet an diesem Tag sein erstes Vorrunden-Einzel in der stehenden Klasse gegen den Inder Suhas Lalinakere Yathiraj. Auch Elke Rongen im Einzel gegen die Schweizerin Karin Suter Erath sowie das Herren-Doppel Thomas Wandschneider und Young-Chin Mi gegen die Chinesen Jianpeng Mai und Zimo Qu sollten nach Möglichkeit mit Siegen aus den Begegnungen hervorgehen.

„Das wird schwer, aber machbar“, sind sich alle Beteiligten mit Blick auf die Vorrunden-Auslosung einig. Nicht zuletzt ist auf jeden Fall die Motivation während der vergangenen Tage ins Unermessliche gestiegen. Dass nicht allein innerhalb des Teams mit Spielern im Alter zwischen 23 und 57 Generationen aufeinandertreffen, soll ihnen dabei nicht zum Nachteil gelten. Die Erfahrung trifft hier auf Dynamik, die einen lernen von den anderen. Und damit künftig genug Nachwuchs für diese schnellste Ballsportart der Welt begeistert werden kann, erhoffen sich Trainer und Athlet*innen neben spielerischem Erfolg auch eine gehörige Portion Aufmerksamkeit. Attraktive Partien gegen die weltbesten Nationen werden hierzu durchaus beitragen.

Die Athleten in Tokio

  • Damendoppel: WH1-2 Elke Rongen (BSG Aachen) / Valeska Knoblauch (SCU Lüdinghausen)
  • Mixed-Doppel: SL3-SU5 Jan-Niklas Pott (VfL Grasdorf) / Katrin Seibert (1.BC Dortmund)
  • Herrendoppel: Young-Chin Mi / Thomas Wandschneider (beide VfL Grasdorf)
  • Alle Spieler*innen werden auch in den Einzel-Wettbewerben ihrer jeweiligen Startklasse antreten.

>>> zur offiziellen Webseite der Spiele: Paralympic.org/Tokyo-2020
>>> zu den deutschen Athleten*innen: TeamDeutschland-Paralympics.de
>>> der DBS hat alle wichtigen Infos rund um die Spiele zusammengetragen: DBS-NPC.de/20-plus-1-fakten-zu-den-paralympics

https://drs.org/wp-content/uploads/2021/08/paralympics_banner_915_410-610x273.jpgTextquelle: Heike Werner  / veröffentlicht auf DBS-NPC.de
Foto „Team Para Badminton“: © Herbert Rongen