„Wir sind sehr zufrieden“

Zwei Mal Gold, zwei Mal Silber, zwei Mal Bronze: Das Deutsche Para Skiteam Alpin hat die eigenen Erwartungen bei den Paralympics in Peking übertroffen. Anna-Lena Forster, Andrea Rothfuss und Anna-Maria Rieder gewannen die Medaillen, die Debütanten Christoph Glötzner und Leander Kress sowie Noemi Ristau mit Guide Paula Brenzel erlebten die ganze Bandbreite der skifahrerischen Emotionen.

„Unser Fazit fällt durchaus positiv aus“, freute sich Bundestrainer Justus Wolf: „Mit sechs Medaillen haben wir unsere interne Vorgabe sogar übertroffen, insofern sind wir sehr zufrieden, auch dass wir drei Medaillengewinnerinnen stellen können.“ Bei Anna-Lena Forster, die zwei Mal Gold in Super-Kombination und Slalom sowie Silber in der Abfahrt und im Super-G gewann, „haben wir es erwartet“, sagt Wolf: „Wir sind froh, dass sie dem Druck von sich selbst, aber auch von außen gerecht werden konnte.“ Andrea Rothfuss Bronzemedaille in ihrer Lieblingsdisziplin Riesenslalom kam dann durchaus überraschend, Anna-Maria Rieders dritter Platz im Slalom war dann doch schon auf dem Notizzettel. „Wir haben immer spekuliert, dass Andrea oder Anna-Maria was reißen können und sind froh, dass das beiden gelungen ist“, sagte Wolf, der außer den Medaillengewinnerinnen auch mit seinen beiden Jungs im Team zufrieden war, die ihr Paralympics-Debüt gaben und die am letzten Wettkampftag noch im Slalom ran durften.

Glötzner und Kress „absolut in der Spur“

Dass das möglich war, hatte in den 72 Stunden zuvor nicht so ausgesehen. Da war Christoph Glötzner beim Einfahren vor seiner planmäßigen Paralympics-Premiere im Riesenslalom gestürzt. Die Diagnose: Schwere Schienbeinprellung und Muskelbündelriss im Oberarm – eine komplizierte Sache für einen einbeinigen Skifahrer. Doch das medizinische Team tat alles dafür, dass der 18-Jährige wieder fit wurde, Zimmerkollege und Kumpel Leander Kress schob ihn im Rollstuhl durchs Dorf. Und nach dem Sturz am Donnerstag stand Glötzner am Samstagmorgen beim Training und gab grünes Licht für einen Start am Sonntag.

Dort fuhr er einen starken Lauf und sah Platz 16 auf der Anzeigetafel. Doch kurz darauf schlug er die Hand auf den Helm. „Das ist mir im Leben noch nie passiert, dass ich den letzten Schwung als normales Tor nehme, anstatt einfach ins Ziel zu fahren“, sagte „Grisu“, wie er genannt wird, mit einem Lachen. „Ich bin schon froh, dass ich starten durfte, aber dass es so ein Ende nimmt – die Spiele werden unvergesslich bleiben, ich glaube, das muss man mit Humor nehmen.“ Dass dann auch Kress noch ausschied, ließ die beiden schmunzeln. Glötzner sagte, immer noch lachend: „Ich bin ein bisschen erleichtert, dass der Leander auch raus ist. Irgendwie ist es oft so: Wenn einer fällt, fallen wir beide.“ „Das passiert. Ich glaube, er musste darüber lachen, weil es eh schon nicht so gelaufen ist für ihn“, sagte Wolf: „Nach dem Motto: Erst hatte er kein Glück, dann kam noch Pech dazu. Das passiert vielen im Skifahrer-Leben, dass das letzte Tor verpasst wird. Dass es gerade hier ist, ist ärgerlich, aber seine Fahrt war wirklich gut.“

Auch Kress, dessen beste Platzierung ein 17. Rang in der Super-Kombination war, zog ein positives Resümee von seinen ersten Paralympics: „Ich wollte hier alles mitnehmen. Ich bin der einzige Einbeiner, der alle fünf Rennen gemacht hat. Insofern bin ich zufrieden, aber am Ende habe ich gemerkt, dass der Oberschenkel schwer ist. Da muss ich in vier Jahren, wenn ich Medaillenkandidat sein will, vielleicht besser mit meinen Kräften haushalten. Aber jetzt bin ich super happy, es war cool, an jedem Start zu stehen und alles zu erleben.“

Dass beide hohe Ambitionen haben – 2026 eine Medaille zu gewinnen – findet Wolf gut: „Der Weg ist klar, wo es hingehen soll und sie sind bis jetzt absolut in der Spur und jetzt schauen wir mal, wie weit wir die nächsten vier Jahre kommen.“

„Wollen im Nachwuchsbereich richtig durchstarten“

Mit Noemi Ristau und ihrer Guide Paula Brenzel zeigte auch die einzige sehbehinderte Skifahrerin im Team eine gute Leistung mit Platz fünf im Super-G. In den anderen Disziplinen tat sie sich teilweise schwer, auch weil ihr nach einem Kreuzbandriss Ende September noch Training fehlte. Schade war die Super-Kombination, als sie auf Platz fünf liegend im Super-G das vorletzte Tor verpasste, „sonst wäre echt noch was gegangen“, wie Guide Brenzel vermutete. „Ich habe mir eine Medaille gewünscht“, sagte Ristau, die von einem versöhnlichen Paralympics-Abschluss sprach: „Aber ich wusste auch, dass es mit der Vorgeschichte schwer werden würde.“

Bundestrainer Wolf war glücklich, dass in seinem Team die Stimmung durchgehend gut war: „Ich denke, das schafft niemand alleine, wir haben eine echt gute Symbiose von verschiedenen Charakteren. Es ist uns ganz gut gelungen, ein Team aufzustellen, das harmoniert. Das ist wichtig für die Sportler, um sich sicher zu fühlen und Leistung zu bringen.“

Das soll auch in den kommenden vier Jahren auf dem Weg nach Cortina d’Ampezzo 2026 so bleiben, Anfang 2023 steht schon die WM im schwedischen Åre an. „Aus meiner Sicht sind wir in einer recht guten Situation. Die Fördersummen sind in den vergangenen Jahren kontinuierlich gestiegen. Der DBS hat hervorragende Arbeit geleistet, uns bestmöglich zu unterstützen“, sagte Wolf: „Wenn uns nichts weggenommen wird – wegen pandemiebedingten Einsparungen von Kosten – dann können wir mit der Nationalmannschaft konsequent weiterarbeiten.“

Wolf hegt auch die Hoffnung, dass im Nachwuchsbereich mehr gemacht werden kann als während der Corona-Zeit. „Wir hoffen, dass wir da richtig durchstarten können. Durch Covid waren wir enorm gehemmt, weil eineinhalb Ski-Saisons kein Training möglich war“, sagte Wolf, für dessen Talente die geschlossenen Lifte ein großes Problem darstellten: „Wenn hier die Arbeit wirklich zu greifen beginnt in der Struktur, die wir in den letzten vier Jahren aufgebaut haben, dann sind wir hervorragend aufgestellt.“

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Text: Nico Feißt / DBS-NPC.de
Foto „Das deutsche Para Ski alpin Team zum Abschluss in Peking“: © Mika Volkmann / DBS