Im Gespräch: DGUV-Pressesprecher Gregor Doepke ist kooptiertes Mitglied im DRS-Vorstand
Gregor Doepke ist Leiter Kommunikation und Pressesprecher bei der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung (DGUV), dem Spitzenverband der Berufsgenossenschaften und Unfallkassen. Seit 2017 steuert er als Leiter des Kampagnenteams auch die Präventionskampagne ›kommmitmensch‹, die sich für die Entwicklung einer Kultur der Prävention in den Betrieben in Deutschland einsetzt. Bereits 2003 wurde Doepke Mitglied im Vorstand des VDSI (Verband für Sicherheit, Gesundheit und Umweltschutz bei der Arbeit e. V.) und leitet dort das Ressort Kommunikation/Internationales.
Dem Behindertensport steht Gregor Doepke bereits seit vielen Jahren nahe – das Thema ist für ihn zu einer Herzenssache geworden. In verschiedenen Funktionen unterstützt er den Sport und konnte im Bereich der Öffentlichkeitsarbeit entscheidende Entwicklungen mitgestalten. So hat er zusammen mit dem Tagesspiegel die Paralympics Zeitung gegründet, welche seit den Spielen in Athen 2004 erscheint. Darüber hinaus hat er den German Paralympic Media Award, welcher journalistische Berichterstattung zum Thema Behindertensport auszeichnet, auf den Weg gebracht. Beim Deutschen Behindertensportverband (DBS) ist er seit 2016 Mitglied des Kuratoriums.
Seit kurzem sind Sie kooptiertes Mitglied im Vorstand des DRS. Bitte erläutern Sie uns wie es dazu kam und auf welche Aufgaben Sie sich besonders freuen.
Gregor Doepke: Der DRS ist seit seiner Gründung eng mit der Welt der gesetzlichen Unfallversicherung verbunden. Bereits 1998 hatte ich mit Ulf Mehrens eine Kooperation für Reha‐Messen vereinbart und wir haben dort einen Mitmachparcours für Rollstuhlbasketball aufgebaut. Den Kern der Verbindung haben wir ab 2006 unter das Motto ›Fit im Sport – Fit im Job‹ gestellt und zum Beispiel bei der ›BG‐Kliniktour‹ von 2006 bis 2012 auch in die Öffentlichkeit gebracht. Zurzeit arbeiten wir daran, die Möglichkeiten des Sports für die Rehabilitation noch besser zu nutzen. Und das ist mir ein Herzensanliegen, das ich auch in meine Vorstandsarbeit beim DRS einbringen möchte.
Aufgrund meiner Erfahrung in der Kommunikation von sozialen Themen, die ich bei der DGUV und vorher bei der EU‐Kommission sammeln konnte, kann ich sicher auch ein wenig dazu beitragen, den DRS in seiner Wirkung nach außen weiter zu stärken. Der DRS spielt im Verbund der Landes‐ und Fachverbände des Deutschen Behindertensportverbands (DBS) eine wichtige Rolle. Wichtig ist mir, dass wir im DBS das gemeinsame Anliegen des Sports der Menschen mit Behinderung mit vereinten Kräften weiter nach vorne bringen. Sport ist für mich der Motor der Inklusion.
Die Deutsche Gesetzliche Unfallversicherung ist seit vielen Jahren ein wichtiger Partner des DRS. Welche der gemeinsamen Aktivitäten sind Ihnen dabei besonders in Erinnerung geblieben?
Gregor Doepke: Herausragend waren zwei Events in Hamburg. Im letzten Jahr die Rollstuhlbasketball WM und 2015 der ›Tag ohne Grenzen‹ auf dem Hamburger Rathausmarkt. Das waren gelungene Symbiosen: Die Berufsgenossenschaften und Unfallkassen konnten die überragenden sportlichen Leistungen und die tolle Stimmung vor Ort nutzen, um den Menschen ihre Angebote zur Rehabilitation durch Mitmachparcours näherzubringen. Die WM war ein Event der Extraklasse, das direkt der International Wheelchair Basketball Federation (IWBF) und ihrem Präsidenten Ulf Mehrens zu verdanken war. Aber alles Drumherum und die massive Beteiligung von Berufsgenossenschaften und Unfallkassen waren ein direktes Verdienst des DRS. Und auch der Tag ohne Grenzen hat damals Grenzen gesprengt – und das mitten in der Stadt. Rollstuhlbasketball und –Rugby waren zu erleben, Weitsprung, Blindenfußball, Rollstuhltanz und vieles mehr. Das war Weltklasse.
Die Kampagne kommmitmensch setzt sich für den Aufbau einer Kultur der Prävention ein. Für den DRS steht die Mobilität der Menschen im Rollstuhl im Vordergrund, daher spielen Rehabilitation und Prävention eine zentrale Rolle. Gibt es konkrete Bereiche im Rahmen dieser Kampagne, bei welchen der DRS ein Partner sein kann?
Gregor Doepke: Die Kampagne verfolgt einen ganzheitlichen Ansatz. Sie wirbt dafür, Sicherheit und Gesundheit möglichst in alle Lebensbereiche zu integrieren. Dafür stehen die sechs Handlungsfelder der Kampagne: Führung, Kommunikation, Beteiligung, Fehlerkultur, Betriebsklima und Sicherheit und Gesundheit. Dieses breite Themenspektrum bietet dem DRS sicher viele Möglichkeiten, sich einzubringen. Als erstes Beispiel fällt mir das Thema Inklusion im Schulsport ein. Einige Unfallkassen unterstützen bereits den Einsatz von Rollstuhlsport in Schulen, um zu sensibilisieren und das gemeinsame Erleben in der Klasse zu fördern. Das passt sehr gut zu unseren Themenfeldern Beteiligung und Kommunikation. Einen Schwerpunkt legt die Kampagne derzeit auf das Thema Verkehrssicherheit. Auch da könnte ich mir einen Beitrag des DRS gut vorstellen. Sichere Mobilität für Menschen im Rollstuhl ist ja direkt verknüpft mit einem möglichst umsichtigen Verhalten der anderen Verkehrsteilnehmerinnen und Verkehrsteilnehmer.
Lassen Sie uns auf das Thema Kommunikation zu sprechen kommen. Welche Themen kommen Ihnen als allererstes in den Sinn, wenn Sie an den Deutschen Rollstuhl-Sportverband denken? Für welche Kernthemen steht der DRS aus Ihrer Sicht und was macht den Verband so wertvoll?
Gregor Doepke: Der DRS ist mehr als ein Sportverband, er ist auch eine Interessenvertretung von Menschen mit Behinderung. Er ist ein Sprachrohr und fordert gesellschaftliche Gleichberechtigung ein – zum Beispiel bei der Mobilität von Rollstuhlfahrerinnen und ‐fahrern im Alltag. Für seine Mitglieder ist er eine wichtige Unterstützung – durch seine vielfältigen Sportangebote und die Vermittlung von KnowHow und Kontakten. Natürlich wird der DRS auch sichtbar, wenn es um die großen Sportevents geht, zentral ist aber seine Förderung des Breitensports für Menschen mit Behinderung. Ganz persönlich verbinde ich den DRS mit Menschen, die mir auf beeindruckende Weise gezeigt haben, wieviel Bewegung auch mit einer Behinderung möglich ist – und wieviel Spaß es machen kann.
In den vergangenen Jahren hat die Berichterstattung über den Behindertensport stark zugenommen. Oftmals wird dabei von der ›Faszination Behindertensport‹ gesprochen. Was macht für Sie die Faszination aus?
Gregor Doepke: Wer jemals bei einem großen Sportfest wie zum Beispiel den Paralympics dabei war, der hat diese Faszination sicher selbst gespürt. Ich würde es als eine Mischung aus Begeisterung und Ehrfurcht beschreiben – oder schlicht Gänsehaut. Es ist immer wieder erstaunlich, welche sportlichen Höchstleistungen Menschen mit Behinderung erbringen. Und hierbei verstehe ich unter Höchstleistung primär etwas sehr Persönliches. So kann die Leistung eines Athleten, der im E‐Rollstuhl sitzt und seinen Boccia‐Ball mit höchster Konzentration und Anstrengung in die Nähe des Jackballs bringt, absolute Höchstleistung sein. Und ganz ehrlich: Ich habe das in Rio bei den Paralympics als Zuschauer erlebt. Die emotionale Intensität in den Gesichtern der Sportlerinnen und Sportler hat mich nicht mehr losgelassen. Und in dieser emotionalen Intensität steht der Sport der Menschen mit Behinderungen konkurrenzlos an der Spitze.
Was sind aus Ihrer Sicht die zentralen Punkte, wenn es darum geht den Sport und die Mobilität von Menschen mit Behinderung in der Öffentlichkeit positiv und interessant darzustellen?
Gregor Doepke: Nach meiner Erfahrung transportieren sich positive Botschaften am besten über Menschen. Neudeutsch sagt man dazu „Storytelling“. Das hat auch der von parapictures in Hamburg produzierte Dokumentarfilm ›Gold, Du kannst mehr als Du denkst‹ gezeigt, den die DGUV 2010 initiiert und maßgeblich finanziert hat und den wir dann gemeinsam mit anderen Partnern 2013 auf die Berlinale, in die Kinos, zur UNO und 2014 in die ARD bringen konnten. Die Zuschauerinnen und Zuschauer können den Weg von drei Protagonisten zu den Paralympics in London mitverfolgen: ihr hartes Training, ihre persönlichen Probleme, ihre Siege und ihre vermeintlichen Niederlagen, die im Grunde die wahren Siege sind. Das hat, glaube ich, vielen Menschen die Augen geöffnet. Der Film wird inzwischen auch als Unterrichtsmaterial in Schulen genutzt und Kirsten Bruhn, eine der Protagonistinnen, hat inzwischen viele Gespräche mit Jugendlichen zum Thema Sport und Inklusion geführt. Der Film kann also als direkter Einstieg in gesamtgesellschaftliche Diskussionen genutzt werden. Das Interesse und der Zuspruch sind immer wieder erstaunlich. Vor allem solche persönlichen Begegnungen und Dialoge zum Thema Inklusion sind nachhaltig.
Eine persönliche Frage zum Abschluss. Welche Bedeutung hat das Thema Sport in Ihrem eigenen Leben?
Gregor Doepke: Eine große Bedeutung. Ich bin ein begeisterter Läufer. Das ist ein Sport, den ich überall – auch auf Dienstreisen ‐ ausüben kann. Laufen hilft mir körperlich fit und mental stark zu bleiben. Deshalb freut es mich auch besonders, dass unser Projekt ›R(h)ein Inklusiv‹ so gut ankommt. Zusammen mit der Sporthochschule Köln organisiert die DGUV inklusive Staffeln, die am Köln Marathon teilnehmen. In diesem Jahr waren es 26 Staffeln mit über 100 Teilnehmerinnen und Teilnehmern. Die schnellste unserer Staffeln um den blinden kenianischen Paralympicssieger Henry Wanyoike, hat sogar gewonnen. Als ›kölsche Jung‹ war ich darauf so stolz, als hätte ich persönlich den Marathon gewonnen.
Herzlichen Dank für Ihre Zeit.
Das Interview führte Andreas Escher, DRS
Herausgegeben im DRS-Verbandmagazin „Sport + Mobilität mit Rollstuhl“
>>> mehr über die DGUV: www.kommmitmensch.de
© Text: DRS + Foto: DGUV