Wir machen nächstes Jahr wieder mit!
Das InkluSportsCamp begeisterte Teilnehmer*innen, Sportexperten, Assistent*innen und das Orga-Team gleichermaßen. Mit neun Sportarten von Baseball bis Tennis konnten die anwesenden Kinder und Jugendlichen wirklich viel ausprobieren und neue Eindrücke mit nach Hause nehmen. Spiel und Spaß stand beim ersten InkluSportsCamp ganz oben auf der Wunschliste. Insgesamt 25 junge Menschen im Alter von 10 bis 18 Jahren nutzten die Gelegenheit und hielten sich vier ganze Tage lang auf Trab.
Am Montagmorgen, den 13. Juni pünktlich um 9 Uhr gaben Daniela Biet und Ira Ziegler den Startschuss für das erste InkluSportsCamp. Die Initiative ging von den beiden Betreibervereinen des Sportparks Weil und der Diakonie Stetten aus, daher ließen es sich Margot Kemmler (Vorsitzende der SV 1845 Esslingen) und Martin Hägele (FC Esslingen) nicht nehmen, die anwesenden Teilnehmer*innen sowie deren Eltern persönlich zu begrüßen. Danach ging es endlich los: Unsere Experten für den Bereich „Sicher im Rollstuhl“ Helmut Gensler sowie Mandy, Marcel und Henry Pierer übernahmen das Ruder. Als allererstes erhielten alle, die keinen eigenen dabei haben, einen Rollstuhl. Sicherheit geht vor und das gilt sowohl in der Benutzung der Rollstühle für die verschiedenen Sportarten als auch für die – Gott-sei-Dank eher selten notwendige – Rettung von Rollstuhlnutzern aus einem Obergeschoss.
Gemeinsam wurde geübt wie man ergonomisch und sicher vorwärts und rückwärts fährt, bremst, Hindernisse überquert oder umfährt und natürlich auch wie man auf zwei Rädern fährt. Beim Mittagessen wurden die besten Tricks und Tipps ausgetauscht, nochmal kurz mit den Experten abgestimmt und dann direkt ausprobiert. Gleichzeitig war dieser Einstieg eine gute Gelegenheit für die Assistent*innen sich einen Eindruck davon zu verschaffen, was ihre Partner*innen auf Zeit körperlich und geistig zu leisten vermochten. Und da gab es durchaus die eine oder andere Überraschung. Julius mit seinem E-Rolli war einer der Schnellsten und er sagte ganz deutlich an, wo er Hilfe braucht, was er nicht will und was er gerne ausprobieren möchte; Nico brauchte immer sein Tablet bei sich, weil es ihn beruhigt und Ella freute sich riesig dabei zu sein und nutzte Gebärden, wenn sie sich bemerkbar machen wollte.
Helmut Gensler, im Deutschen Rollstuhl-Sportverband zuständig für den Fachbereich Kampfkünste, ist der Experte im Blasrohrschießen und in der Selbstverteidigung. Damit er sich intensiv um das Themenfeld Selbstbehauptung und Selbstverteidigung kümmern konnte, schulte er noch in der Mittagspause das Team im Blasrohrschießen. „Gar nicht so einfach“ stellte Ira Ziegler fest. Zunächst musste das ungefähr 1 Meter lange Blasrohr richtig geladen werden, erst dann konnte der Pfeil auf die Zielscheibe geblasen werden. Immer wieder die Mitte zu treffen, erwies sich als schwierig. Gleich zwei Akteuren gelangen sogenannte Robin Hoods, d.h. mit einem zweiten Pfeil durch den ersten zu schießen. Bei anderen prüfte der Experte mit Ruhe, ob denn das Lungenvolumen bzw. der Luftdruck, der erzeugt werden kann, ausreicht, um den Pfeil auf die Zielscheibe zu befördern. Die Ruhe vor den Zielscheiben wurde plötzlich durch laute „Nein, ich will das nicht!“-Rufe gestört. Denn parallel übte der zweite Teil der Gruppe Selbstbehauptung und Selbstverteidigung. Wichtig hierbei ist es, zunächst deutlich zu sagen, dass man etwas nicht will und sich Hilfe zu holen. Die Kraft des Angreifers in die eigene Kraft umzuwandeln und zu erkennen, was man in der Lage ist zu leisten, ist das Ziel. Am Ende der Einheit siegte der Geist über den Körper und die Teilnehmer*innen konnten mit der bloßen Hand Holzbretter zerschlagen. Unglaublich!
Mit Profis geht es auch am zweiten Sporttag weiter. Im Tischtennis standen bzw. saßen Paralmypics-Silbermedaillen-Gewinner Thomas Brüchle und seine Frau und Trainerin Annika an der Platte und unterstützen Gabriel Gaa und den Abteilungsleiter Erwin Bär von der SV 1845 Esslingen. Wer bis dahin noch nie einen Schläger gehalten hatte, um Bälle über die Platte zu schießen, konnte es im Stehen und im Sitzen ausprobieren. Die ganz unermüdlichen „Kids“ forderten auch den Tischtennisroboter – eine Ballmaschine – heraus, der die Bälle im Wechsel rechts und links präsentiert und sich immer wieder im Tempo stark steigert.
Engarde – Prêtes – Allez: Zeitgleich waren die Fechter*innen der SV 1845 Esslingen auf der Planche. Eine kleine Einweisung in Waffenkunde, Sicherheit, Grundwissen und natürlich in die erlaubten Bewegungen und dann ging es los. Maurice Schmidt, der sich kurz zuvor bei den Deutschen Meisterschaften gleich vier Goldmedaillen gesichert hatte, war als Experte wie auch als Vorbild begehrt. Apropos Sicherheit – trotz der warmen Temperaturen hatte jede/jeder die Fechtkleidung, Handschuh und Maske anzulegen. Alleine das erfordert schon Höchstleistungen. Highlights waren aber nicht nur die Show-Matches, die sich Thomas und Maurice geliefert hatten, sondern auch der Versuch von FCE Vorstand Sven Fries den Tischtennisroboter zu bezwingen.
Nach dem Mittagessen wurden die Tischtennisschläge und die Degen gegen etwas größere Schläger getauscht: In kleinen Gruppen ging es zum Tennis und zum Cricket. Diesmal direkt auf den Tennisplätzen und in der McArena (Freilufthalle). Als wichtigste Aufgabe in beiden Sportarten galt es, mit dem Schläger den Ball richtig zu treffen. Während beim Tennis der Ball über das Netz zum Gegner bzw. möglichst weit weg von ihm landen soll, geht es beim Cricket darum den Ball gar nicht erst hoch zu spielen. Ganz schön kompliziert, wenn man sich an das eine gerade gewöhnt hat. Und gut, dass alle Expert*innen so geduldig waren und immer eine Lösung fanden, damit auch alle mitmachen konnten. „Mario, Yvonne – ihr und eure Teams wart einfach Klasse!“
Am Tag 3 starteten die bekannten „großen“ Mannschaftssportarten. Den Auftakt machte Fußball, zu Fuß und im Rollstuhl. Zugegeben, der Ball für Rollstuhl-Fußball, auch Wheelsoccer genannt, ist ganz schön groß gewesen, aber dafür konnten auch alle mitspielen. Wer den Ball nicht selber spielen kann, der ließ sich durch einen Assistenten unterstützen. Es wurde ein ganz schön anstrengender Vormittag in der Sporthalle. Aber auch in den Freilufthallen ging es sportlich zu. Auch wenn Mirko feststellen musste, dass die McArena nicht so gut genutzt werden konnte: „Der Flor in der Halle ist relativ weich und lässt die Rollstuhlräder versinken, besser wir laufen hier!“
Am Nachmittag folgte der Wechsel zum Volleyball. Martin Vogel, von Haus aus Sportlehrer und Mitglied der Sitzvolleyball-Nationalmannschaft, ließ es sich nicht nehmen, den Teilnehmer*innen höchstpersönlich die Regeln und die Techniken zu erklären. Gar nicht so einfach auf dem Boden rutschend sich vor- und rückwärts zu bewegen und außerdem noch den Ball zu spielen. Geduldig schaute sich Martin um, damit er – unterstützt von der Damenvolleyballmannschaft der SV1845 – allen die individuell Tipps geben konnte. Mal ging es um das richtige Pritschen und Baggern, mal darum, wie man möglichst schnell zum Ball rutscht oder einen Ball der zu lang ist, doch noch richtig erwischt. Damit noch mehr Menschen sich ausprobieren konnten, veranstaltete die Volleyballabteilung der SV 1845 Esslingen ein offenes Turnier für alle. Ziel der Aktion ist es Interessierte für ein regelmäßiges Training zu finden.
Das voll gepackte Sportprogramm war ganz schön anstrengend. Vor allem da man bzw. frau aufgrund der ständig neuen Impulse Muskeln benutzte, die vorher noch gar nicht zu spüren waren. Da wäre es nur selbstverständlich, dass der Feiertag auch ein freier Tag sein sollte. Aber weit gefehlt. Das Orga-Team lud ein zum Familiennachmittag. Während die Sonne vom Himmel brannte und tropische Temperaturen mit sich brachte, sind doch fast alle Camp-Teilnehmer*innen mit ihren Familien gekommen. Neben den verschiedenen Sportarten konnten die Besucher*innen alle Mitmachaktionen und –geräte des Tischtennismobils und Sportmobils der Württembergischen Sportjugend testen. Bei den Fechtern kämpften ukrainische und deutsche Fechter in allen drei möglichen Waffen gegeneinander und zeigten hervorragende Gefechte. Interessierte erhielten Informationen aus erster Hand und konnten an der Stoßwand, eine Art Fechtsimulator, ihr Reaktionsvermögen und Treffsicherheit mit dem Degen testen. Wheelsoccer zum Ausprobieren, Fußball und Baseball sowie Tennis waren präsent und Cricket hat sogar einen Spieltag in den Sportpark verlegt. Die Eltern und Geschwister fanden auch Gelegenheit sich die Sozial- und Gruppenräume anzuschauen. Neben der Möglichkeit sein Mittagessen einzunehmen, gab es hier auch eine Chill-out-Area für alle, die im Verlaufe des Tages etwas Ruhe oder einfach nur eine Pause brauchten.
Dann war er da, der letzte Tag: Am Morgen war Rollstuhlbasketball angesagt. Dribbeln, Korbwurf, Korbleger – zu Fuß kein Problem, aber im Rollstuhl? Muss man da auch Dribbeln? Darf ich beim Abspielen fahren? Wie fahre ich eigentlich, wenn ich gleich zeitig den Ball halten muss? Gut, dass auch hier Expert*innen da waren, die sich auskennen. Stergios Mangos (Hellas Esslingen) und Siggi (MTV Wheelers) boten ein buntes Programm und viel Zeit zum Spielen und Ausprobieren an; auch fanden sie Varianten, damit alle mitspielen konnten.
Beim Chaosspiel waren dann alle gleichzeitig auf dem Außengelände des Sportparks unterwegs. Es galt eine Spielfigur auf einem Spielplan bis ins Ziel zu bringen. „Lass mich auch mal würfeln, du wirfst ja immer nur 1er und 2er!“, ruft Niklas Moritz zu, aber auch er würfelt nur eine 1. Schon mies, wenn nach dem ersten Wurf plötzlich nur noch fingierte Würfel eingesetzt werden. Es galt Codewörter zu finden, die in einem abgesteckten Areal zu suchen waren. Dann zurück zum Regietisch und bei richtigem Codewort eine Aufgabe lösen – mal sportlich, mal denksportlich. Am Ende sollte dann das Alphabet mit Sportarten aufgefüllt werden. Dabei ging es ordentlich kreativ zu: Quidditch, X-Cross, Yoga und Zumba zeigten, dass auch schwierige Buchstaben beim Sport kein Problem sind.
Und wer wurde bei der Siegerehrung geehrt? Natürlich alle als Team! Gemeinsam unterschiedliche Sportarten zu erkunden und für alle zugänglich zu machen, hat einfach viel Spaß gemacht. Übrigens die ersten Anmeldungen für das kommende Jahr haben wir schon. Termin? Der steht noch nicht, aber das ist egal. Alle wollen gerne wieder kommen.
Ein riesiges Dankeschön geht an alle Helfer*innen, Betreuer*innen und Expert*innen: „Ihr seid einfach klasse!“
Ohne Förderer geht es nicht, daher auch ein herzliches Dankeschön an unsere Hauptsponsoren die Stadt Esslingen, Ferry Porsche und Impulse Inklusion sowie die Kooperationspartner: Diakonie Stetten, DRS, Hellas Esslingen, Lebenshilfe Esslingen, McArena, MTV Stuttgart, Stuttgarter Cricket Verein, Tischtennis Baden-Württemberg, VILLA Esslingen, WBRS, WLSB, WSJ und WTB.
>>> mehr auf: www.es-sportpark.de/inklusportscamp-in-den-pfingstferien
Text: Ira Ziegler
Fotos: © Privat