Auftakt mit gewohnten Unschärfen

Zehn deutsche Athletinnen und Athleten sowie fünf Guides starten von Samstag an beim ersten Para Weltcup des Winters im finnischen Vuokatti. Der interne Konkurrenzkampf wirkt sich positiv aufs Leistungsbild aus. Doch die Frage, was die Trainingsleistungen wert sind, ist wie üblich offen.

Nein, der deutsche Bundestrainer im Para Ski nordisch und Para Biathlon, Ralf Rombach, hat nun wirklich kaum Ähnlichkeit mit Butler James aus dem Silvesterklassiker Dinner for one. Und doch dürfte er sich in diesen Tagen ein wenig so fühlen wie der unsterbliche Diener von Miss Sophie. Stichwort: Same procedure as every year. Es hat Tradition, dass Rombachs Team vor dem Saisonstart eine Reise ins Ungewisse antritt. Im Vergleich zu den anderen Nationen können die Deutschen spürbar weniger Trainingskilometer im Schnee vorweisen. Die Eindrücke von den Lehrgängen haben stets eine gewisse Unschärfe. Wie viel ein gutes Gefühl taugt, zeigt sich erst, wenn es im Rennen ernst wird.

Immerhin: das gute Gefühl ist da. Beispiel Alexander Ehler, der Oldie im Team, von dem Rombach berichtet, dass er frischer dastünde als in der unglücklich verlaufenen Vorsaison. Beispiel Nico Messinger, der davon profitiert, dass es in seiner Startklasse in Lennart Volkert einen neuen Anwärter auf einen Stammplatz im Bundeskader gibt, der dem Arrivierten Feuer unterm Hintern macht. Und Beispiel Linn Kazmaier und Leonie Walter, die 16 und 18 Jahre alten Shootingstars der Paralympics 2022, die das gegenseitige Antreiben nahezu perfektionieren. „Das Niveau war bei beiden schon gut. Es ist noch einmal besser geworden.“

Weltcup-Debütant aus Nordrhein-Westfalen und ein Rückkehrer
Die Dritte aus der Riege der Frauen mit Sehbeeinträchtigung, die in Freiburg lebende Saarländerin Johanna Recktenwald, hat momentan noch etwas läuferischen Rückstand und obendrein das Pech, kurz vor den deutschen Meisterschaften im Oktober von einem Ermüdungsbruch am Schienbein ausgebremst worden zu sein. Der ist inzwischen auskuriert, den Starts in Vuokatti steht somit nichts im Wege – wie bei Marco Maier, der nach einer Oberschenkelverletzung in einer frühen Phase der Vorbereitung wieder gut im Saft steht.

Bei den Männern stehend hat der 22-jährige Allgäuer neben Ehler zwei weitere Konkurrenten aus dem eigenen Land: einen Rückkehrer und einen Neuling. Steffen Lehmker aus Bad Bevensen (Niedersachsen) und Sebastian Marburger aus Bad Berleburg (Nordrhein-Westfalen), der in Finnland erstmals bei einem Para Weltcup dabei ist. Berufsbedingt können Lehmker und Marburger allerdings nur jeweils ein Rennen absolvieren, der Klassik-Experte Marburger am Samstag im Langlauf über fünf Kilometer, Lehmker im Skating-Sprint am Sonntag. Anja Wicker aus Stuttgart komplettiert die deutsche Mannschaft. Die Dienstälteste im Aufgebot feierte 2010 ihr Weltcup-Debüt.

Von seinen Starterinnen und Startern erwartet Rombach in diesen Dezember-Tagen „keine Siegleistungen“, wie er betont. „Wir sind keine Frühstarter.“ Empfehlen sollen sie sich dennoch. Der Wettkampf-Kalender des Skiweltverbands FIS, der die Organisation aller Para Schneesport-Events vor dieser Saison übernommen hat, sieht noch einen Weltcup vom 1. bis 8. März 2023 in Soldier Hollow (USA) vor – und davor vom 21. bis 29. Januar 2023 die Weltmeisterschaften in Östersund (Schweden).

Just bei denen, so die Hoffnung des Bundestrainers, sollen die Mitglieder des Nordic Paraski Teams Deutschland in Topform sein. Bis dahin gilt in guter, alter Dinner-for-one-Tradition: der eine oder andere Stolperer ist erlaubt.

Das deutsche Aufgebot (Alter, Geburtsort, Verein):

Damen mit Sehbeeinträchtigung: Linn Kazmaier (16 / Nürtingen / SZ Römerstein, Guide: Florian Baumann / 21 / Nürtingen / SZ Uhingen), Johanna Recktenwald (21 / St. Wendel / Biathlon-Team Saarland, Guide: Valentin Haag / 22 / Kirchzarten / SV Kirchzarten), Leonie Walter (18 / Freiburg / SC St. Peter, Guide: Pirmin Strecker / 20 / Freiburg / SV Kirchzarten)

Damen sitzend: Anja Wicker (30 / Stuttgart / MTV Stuttgart)

Herren mit Sehbeeinträchtigung: Nico Messinger (27 / Freiburg / Ring der Körperbehinderten Freiburg, Guide: Robin Wunderle / 24 / Freiburg / SC Todtnau), Lennart Volkert (19 / Berlin / PSV München, Guide: Nils Kolb / 20 / Freiburg / SV Kirchzarten)

Herren stehend: Alexander Ehler (53 / Leninogorsk (KAZ) / SV Kirchzarten), Steffen Lehmker (33 / Uelzen / WSV Clausthal-Zellerfeld), Marco Maier (22 / Oberstdorf / SV Kirchzarten), Sebastian Marburger (25 / Frankenberg (Eder) / SK Wunderthausen)

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Text: Benjamin Schieler / DBS
Foto: © Ralf Kuckuck / DBS