Johannes Floors ist geschlagen

Der Weltrekordhalter in der Klasse T62, der seit der WM 2017 alle Titel geholt hatte, „gewinnt“ beim Sieg des US-Amerikaners Hunter Woodhall Silber, wie der Weltmeister und Tokio-Paralympicssieger selbst sagt. Irmgard Bensusan wird in ihrem letzten paralympischen Rennen Achte, Katrin Müller-Rottgardt und Noel Fiener scheiden als Fünfte um ein Hundertstel über 100 Meter aus. Lise Petersen wird Achte im Speerwurf.

Als Johannes Floors in der Mixed Zone ankam, schaute er in unsichere, verdutzte Gesichter. „Ihr könnt euch freuen“, sagte der 29-Jährige und fügte ironisch hinzu: „Nicht, dass ich es noch machen muss.“ Doch da hatte der große Favorit schon längst ein Grinsen im Gesicht, auch wenn er mit der Zeit von 46,90 Sekunden über 400 Meter nicht zufrieden war. „Das ist eigentlich eine Zeit, die laufe ich nachts im Training. Ich könnte eigentlich schneller laufen“, sagte der Athlet vom TSV Bayer 04 Leverkusen: „Am Ende des Tages werde ich mich sicherlich über eine Silbermedaille freuen können, aber aktuell ist es noch nicht so leicht.“

Denn Floors hatte nach den WM-Siegen 2017, 2019, 2023 und 2024 sowie dem Paralympics-Sieg 2021 in Tokio erstmals eine Niederlage erlitten. Hunter Woodhall, sein US-Konkurrent, war 46,36 Sekunden auf der Zielgeraden an ihm vorbeigezogen. Auch der Niederländer Olivier Hendriks war gleichauf, doch Floors konnte ihn um ein Hundertstel auf der Ziellinie noch distanzieren. Auch deshalb, weil es Silber statt Bronze wurde, sagte er: „Die anderen brauchen einen guten Tag, ich brauche einen schlechten. Heute war es ein schlechter von mir, ein guter von den anderen. Es hat für Silber gereicht. Das wird im deutsche Haus gefeiert.“

Floors, der fast acht Jahre der Gejagte war, freute vor allem auch die schnelle Zeit des niederländischen Konkurrenten: „Es zeigt, dass sich der Sport der Amputierten weiterentwickelt. Mein Weltrekord steht noch bei 45,87 Sekunden. Der ist nicht mehr unantastbar. Es werden immer mehr, die noch ranlaufen. Auf der einen Seite hoffe ich, dass der noch lange hält, auf der anderen, dass er irgendwann fällt. Weil das zeigt, dass sich der Sport weiterentwickelt, dass man als Athlet an allem arbeiten muss. Es reicht nicht mehr, eine Prothese zu haben, man muss die auf sich selbst abstimmen. Die muss passen.“

Emotional wurde Floors auch, weil seine Teamkollegin Irmgard Bensusan knapp 20 Minuten vor ihm ihr letztes paralympisches Rennen bestritten hatte. Nach einem verpatzten Start wurde sie in 13,31 Sekunden Achte über 100 Meter, doch das war zweitrangig, auch für Floors: „Irmgard hatte heute ihren letzten Tanz. Wir sind beide quasi gleichzeitig nach Leverkusen gezogen. Die letzten zehn Jahre, da nehme ich ganz viel mit. Jeder, der Geschwister hat, weiß, wie das aussehen kann. Mit Höhen und Tiefen, mit Streit, mit Freude und vieler Unterstützung. Ich werde sie vermissen.“

Und auch Bensusan, die mit Bronze über 200 Meter in dieser Woche noch ein echtes Glanzlicht gesetzt hatte, wollte den emotionalen Aspekt des Abends hervorheben. „Ich darf noch nicht weinen, sonst höre ich nicht mehr auf. Ich saß noch kurz an der Bahn, habe auf Johannes gewartet. Ich wollte alles absorbieren und in meinem Herzen einschließen und speichern, dass ich diesen Moment für immer in meinem Leben erleben kann.“

Katrin Müller-Rottgardt verpasste nach Bronze über 100 Meter gemeinsam mit Guide Noel Fiener das Finale über 200 Meter in 25,15 Sekunden um neun Hundertstel. Das Duo vom TV Wattenscheid gab sich mit Rang fünf aber versöhnlich: „Es ist schade, wir wären gerne ins Finale. Aber wir sind mit einer super Zeit Saisonbestleistung gelaufen und können mit einem sehr guten Gefühl mit der Bronzemedaille nach Hause fahren.“

Lise Petersen, die 2021 in Tokio mit gerade mal 16 Jahren die jüngste Athleten war, stand jetzt mit 19 erneut im Speerwurf-Finale und wurde mit 36,62 Metern Achte. „Es war eine krasse Erfahrung und mega cool. Wie viele Leute angefeuert haben, obwohl sie vielleicht das erste Mal Speerwerfen gesehen haben, das war schon sehr, sehr geil. Ich war happy, als ich den ersten 36er rausgehauen habe. Als ich wusste, ich bin mindestens Achte und habe drei weitere Würfe, da ist schon ein bisschen was von mir abgefallen. Es macht in einem vollen Stadion extrem Spaß, einen Wettkampf zu haben. Das gibt Motivation in Richtung LA.“

Am Vormittag wurde Jule Roß Elfte im Weitsprung, am Abend sprinteten zudem Nele Moos und Tokio-Paralympics-Siegerin Lindy Ave ins 400-Meter-Finale am Samstagabend. Dann möchten auch Felix Streng, Jule Roß und Kim Vaske noch mal laufen – alle drei haben am Vormittag ihren 200-Meter-Vorlauf, am Abend stünde ein potenzielles Finale an.

 

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Text: DBS
Foto: © Tom Weller / DBS