Aktuelle Stellungnahme zur Corona-Pandemie des Deutschen Instituts für Menschenrechte

Das Deutsche Institut für Menschenrechte fordert Bund, Länder und Kommunen dazu auf, besondere Gefahrenlagen für Menschen mit Behinderungen zu identifizieren sowie Maßnahmen zu treffen, die ihren Schutz und Sicherheit gewährleisten. „Restriktionen zur Eindämmung des Corona-Virus dürfen Menschen mit Behinderungen nicht diskriminieren oder besonderen Risiken aussetzen“, erklärte Beate Rudolf, Direktorin des Instituts, anlässlich der Veröffentlichung einer Stellungnahme der Monitoring-Stelle UN-Behindertenrechtskonvention des Instituts zu den Rechten auf Leben und Gesundheit von Menschen mit Behinderungen.

Diese gesellschaftliche Gruppe umfasst neben den seh- und hörbeeinträchtigten Menschen, den körperlich, psychisch und intellektuell beeinträchtigten Menschen auch Menschen chronischen Erkrankungen und mit altersbedingten Beeinträchtigungen.

„Auch in Zeiten einer Pandemie leitet sich aus dem Recht auf Gesundheit die Pflicht des Staates ab, Gesundheitsschutz und diskriminierungsfreien Zugang zu Diensten und Einrichtungen gesundheitlicher Versorgung für alle gleichermaßen zu gewährleisten“, so Rudolf weiter. So müsse beispielsweise der Zugang zu (Corona-)Ambulanzen im Krankheitsfall oder bei Verdacht auf eine Infektion barrierefrei und bei Bedarf durch angemessene Vorkehrungen auch in Form von zusätzlicher persönlicher Assistenz sichergestellt werden. Staatliche Maßnahmen, Informationen der Gesundheitsbehörden sowie Informationen zu Versorgungs- und Unterstützungsleistungen müssten der Öffentlichkeit in Gebärdensprache und allen Arten und Formaten zur Verfügung gestellt werden, einschließlich zugänglicher digitaler Technologie, Untertiteln, Weiterleitungsdiensten, Textnachrichten, leicht lesbarer und einfacher Sprache.

„Das Recht auf Leben garantiert Menschen mit Behinderungen den gleichberechtigten Zugang zu lebensrettenden Maßnahmen. Empfehlungen und Kriterien zur Verteilung von Ressourcen für den Notfall können sinnvoll sein, müssen jedoch in Einklang mit den Menschenrechten, insbesondere dem Recht auf Leben, der Menschenwürde und dem Grundsatz der Gleichheit stehen“, so Rudolf weiter.

Das Institut problematisiert in seiner Stellungnahme die Empfehlungen der medizinischen Fachgesellschaften, soweit sie Abstufungen beim Zugang zur Intensivmedizin zulasten von Menschen mit Behinderungen vorsehen. Die Empfehlung des Ethikrats, dass die medizinischen Fachgesellschaften Regeln zur Abwägung vorgeben sollen, sei höchst kritisch zu sehen. „Ethisch hoch brisante Fragen dürfen nicht allein von den medizinischen Fachgesellschaften beantwortet werden“, betonte Rudolf. Vielmehr sei eine breite Diskussion der menschenrechtlichen Dimension erforderlich. Mit Blick auf die Vorgaben der UN-Behindertenrechtskonvention sei es geboten und förderlich, darüber mit Menschen mit Behinderungen und die sie vertretenden Organisation in Austausch zutreten. „Hier stehen Bundesregierung und Bundestag in der Verantwortung“, so Rudolf.

„Das Triage-Verfahren in der Corona-Pandemie ist für Deutschland hoffentlich ein Zukunftsszenario, das nie eintritt. Menschen mit Behinderungen haben das gleiche Recht auf Leben wie alle anderen Menschen auch. Der Umstand einer Behinderung oder langfristigen Beeinträchtigung darf bei der Beurteilung der Lebenschancen nicht dazu dienen, Menschen mit Behinderungen im praktischen Lebensschutz zurückzusetzen, sprich, ihr Leben als weniger wertvoll einzustufen“, heißt es in der Stellungnahme.

LINKS:

Stellungnahme (April 2020): Das Recht auf gesundheitliche Versorgung von Menschen mit Behinderungen in der Corona-Pandemie. Berlin: Deutsches Institut für Menschenrechte.

Stellungnahme (April 2020): Menschenrechte Älterer auch in der Corona-Pandemie wirksam schützen. Berlin: Deutsches Institut für Menschenrechte.


Quelle: Pressemitteilung des Deutschen Instituts für Menschenrechte, 14.04.2020