Interview mit UK Nord-Geschäftsführer Jan Holger Stock zum langjährigen Erfolgsprojekt

Das Schulprojekt „Rollstuhlsport macht Schule“ in Schleswig-Holstein nimmt nach Corona-bedingten Unterbrechungen und dem Ausfall des Schulsports im Frühling 2022 endlich wieder Fahrt auf. Im Projekt lernen die Schülerinnen und Schüler unter Anleitung erfahrener Übungsleiter*innen und Rollstuhlsportler*innen den Rollstuhl als Sportgerät kennen. Ganz nach dem DRS-Motto „Gemeinsam was ins Rollen bringen“ fördert die Unfallkasse (UK) Nord, deren Augenmerk auf der Sicherheit und Gesundheit in Schulen liegt, das Projekt seit vielen Jahren tatkräftig. Der DRS sprach mit UK-Nord Geschäftsführer Jan Holger Stock über das Engagement in Schulen und die Unterstützung des Projekts.

Die UK Nord fördert die Sicherheit und Gesundheit in Schulen. Anhand welcher Maßnahmen wird dieses Thema in den Schulen in Schleswig-Holstein umgesetzt?

Jan Holger Stock: Wir überwachen und beraten die Bildungseinrichtungen mit dem Ziel einer gesunden und sicheren Lern‐ und Erfahrungswelt. Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene sollen ihren Bildungsweg unfallfrei absolvieren, sie sollen sich entfalten, Erfahrungen sammeln und wachsen. Ohne dass sie in Watte gepackt werden. Das ist unser Auftrag als Trägerin der gesetzlichen Schülerunfallversicherung. Wir setzen eine breite Maßnahmenpalette ein: von der ›klassischen‹ Besichtigung durch unser Aufsichtspersonal über Schulungen, z.B. von Lehrkräften, Erzieherinnen und Erziehern, Fachtagungen, Publikationen, Webangeboten.

Wo sehen Sie die Schnittmengen zwischen den Unfallkassen und dem DRS als bundesweitem Verband für die Themen Mobilität und Sport?

JHS: Als gesetzliche Unfallversicherung betreiben wir Prävention und Rehabilitation. Unsere Prävention ist gut aufgestellt, trotzdem kann man Unfälle, gerade auch bei jungen Menschen, nie völlig ausschließen. Wenn beispielsweise eine Schülerin beim Schulsport schwer verunglückt, hat sie ihr Leben lang Anspruch auf unsere Leistungen zur Rehabilitation. Das schließt die Versorgung mit Rollstühlen und weiteren Hilfsmitteln ein, Mobilitätstrainings, ein individuell angepasstes Auto und die dazu gehörenden Fahrstunden. Mit dem Querschnittgelähmtenzentrum des BG Klinikum Hamburg (BGKH) haben wir einen hochkompetenten Partner für die Reha unserer unfallbedingt querschnittgelähmten Versicherten.

Welche Vorteile sehen Sie durch diese Partnerschaft mit dem DRS im Rahmen dieses Schulprojektes?

JHS: Die Schülerinnen und Schüler bekommen spielerischen Zugang zum Rollstuhlfahren. Sie erleben den Rollstuhl positiv als ein Sportgerät, mit dem man rasante Matches absolvieren kann. Über das Spiel erkennen sie, dass Rollstuhlbasketball kein Sport im Schonraum ist.Rollstuhlbasketballerinnen und ‐basketballer trainieren und spielen genauso hart wie ihre zu Fuß gehenden Pendants. Alles in allem baut die spielerisch‐sportliche Erfahrung Hemmschwellen gegenüber Rollstuhlfahrerinnen und ‐fahrern ab. Wenn Trainerinnen oder Trainer, die selbst im Rollstuhl sitzen, die Übungseinheiten anleiten, müssen sie in der Abschlussrunde immer sehr viele Fragen zu ihrem Leben als Rollstuhlfahrende beantworten. Junge Menschen nehmen da kein Blatt vor den Mund. Abschließend sehe ich einen Impact auf Umwelt und Gesellschaft: Wer sich als ›Fußgänger‹ einmal mit dem Rollstuhl durch eine ›ganz normale‹ Schule, ein Bürogebäude, ein Einkaufszentrum oder eine Straße bewegt hat, erkennt schlagartig die Hürden, vor denen Rollstuhlfahrende täglich stehen. So kann Rollstuhlbasketballtraining Verständnis wecken und bewirkt im besten Fall, dass sich die jungen Teilnehmenden für eine barrierefreie Umwelt einsetzen.

Prävention und Rehabilitation gehören sowohl bei den Unfallkassen als auch beim DRS zu den Kernaufgaben. Welchen Beitrag kann dabei der Sport leisten?

JHS: Präventiv fördert Sport Fitness, Beweglichkeit und Reaktionsvermögen. Bei Kindern ist der Beitrag des Sports zur kognitiven Entwicklung festzuhalten. Mit dem Sport erwerben wir motorische Alltagskompetenzen, so lernen wir beispielsweise schwimmen, klettern, Fahrrad fahren. In der Rehabilitation sehen wir Sport als Angebot an unsere Rehabilitandinnen und Rehabilitanden zur Teilhabe in der Gemeinschaft. Für die oder den einzelnen ist Sport ein Weg zur Selbstwahrnehmung und Selbstwirksamkeit. Menschen, die nach Ihrem Unfall wieder Sport treiben, bekommen wieder Vertrauen in ihre Bewegungsfähigkeit. Kraft und Koordination werden aufgebaut. Sie trauen sich wieder etwas zu und Erfolge steigern die Motivation.

 

Die UK Nord ist die gesetzliche Unfallversicherung für den öffentlichen Dienst und alle jungen Menschen in Bildungseinrichtungen in Schleswig-Holstein und Hamburg. Insgesamt stehen rund 1,9 Menschen im Norden unter ihrem Schutz.

Der Versicherungsschutz umfasst Arbeits- und Schulunfälle, Wegeunfälle und Berufskrankheiten.

Jan Holger Stock ist Geschäftsführer der UK Nord.

Portraitshooting in der UK Nord in Kiel, Seekoppelweg


Die Fragen stellte Andreas Escher.

Fotos: Jan Holger Stock – © UK Nord, Schulprojekt – © DRS

>>> Übersicht bundesweiter Schulprojekte: Rollstuhlsport.de/Schulprojekte